Jeder dritte Arbeitnehmer zweifelt an der Ehrlichkeit seines Unternehmens
Deutsche Unternehmen haben bei ihren Mitarbeitern in den letzten Jahren deutlich an Vertrauen eingebüßt. Auf die Frage, ob das Tagesgeschäft durch Ehrlichkeit gekennzeichnet sei, gibt mittlerweile jeder dritte Arbeitnehmer an, Ehrlichkeit werde nur gelegentlich (23%) oder kaum/nie (10%) praktiziert. Damit hat sich der Anteil derjenigen, die Ethik und Integrität ihres Arbeitgebers an diesem zentralen Punkt in Frage stellen, innerhalb von drei Jahren fast verdoppelt. Im Vergleich zu 2012 geben dagegen nur noch 63% (2012 – 77%) an, dass Ehrlichkeit das Tagesgeschäft ihres Unternehmens häufig oder immer prägt. Die vom Institute of Business Ethics (IBE) in Deutschland, Frankreich, Italien Spanien und Großbritannien durchgeführte Studie Ethics at Work 2015 zeigt, dass Arbeitnehmer in den anderen kontinentaleuropäischen Ländern (70%) und in Großbritannien (81%) deutlich größeres Vertrauen in die Ehrlichkeit und die ethische Integrität ihres Arbeitgebers haben.
Fast jeder vierte beobachtet Regelverstöße
Zugleich ist der Anteil der Befragten, die angeben, im zurückliegenden Jahr unethisches oder illegales Verhalten bei Mitarbeitern, Kollegen oder Vorgesetzten beobachtet zu haben in Deutschland von 18% in 2012 auf 23% gestiegen. Dennoch stehen deutsche Unternehmen in diesem Punkt vergleichsweise gut da. Denn in den anderen kontinentaleuropäischen Ländern sagen durchschnittlich 33%, in Spanien sogar 45% der Befragten, Fehlverhalten in ihrem Unternehmen beobachtet zu haben. Die häufigsten in Deutschland bemerkten Regelverstöße sind missbräuchliches Verhalten, falsche Angaben zur erbrachten Arbeitszeit und die unangemesse, unethische oder unfaire Behandlung von Personen.
Nur die Hälfte gibt Hinweise auf Fehlverhalten
Von den 23% der Befragten, die einen oder mehrere dieser Regelverstöße beobachtet haben, sieht die eine Hälfte von einer Meldungen ab, besonders weil sie nicht erwartet, dass wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Nur die andere Hälfte (49%) ist bereit, Hinweise auf das von ihnen beobachtete Fehlverhalten zu geben.
Betrachtet man die kontinentaleuropäischen Ergebnisse einschließlich Deutschland, so er sind über 60% der Hinweisgeber aber mit der anschließenden Reaktion ihres Unternehmens nicht zufrieden. Im Vergleich zur 2012er Studie hat sich der Anteile der so Enttäuschten verdoppelt (2012: 30%). Philippa Foster Back, Direktorin des IBE, sieht europäische Unternehmen durch ihre schwachen Hinweisgebersysteme einem massiven Risiko ausgesetzt. “Weak speak up arrangements leave companies vulnerable. If boards do not know what is going on, they cannot protect their businesses against crisis“.
Vertrauen hängt von Qualität, Kommunikation und Konsequenz der Ethikprogramme ab
Verantwortliche Manager sind mit der Frage konfrontiert, wie sie das Vertrauen ihrer Mitarbeiter in die Ethik und Integrität des Unternehmens stärken können. Die kontinentaleuropäischen Ergebnisse einschließlich Deutschland geben dazu einen klaren Hinweis: Unternehmen, die alle vier Komponenten eines Ethik-Programms (Verhaltenskodex, Schulungen, Beratung zu ethischen Fragen, anonymes Hinweisgebersystem) entwickelt haben, diese deutlich kommunizieren und konsequent einfordern, genießen ein signifikant höheres Vertrauen in ihre Ehrlichkeit (83%) als Unternehmen, die über keines der Elemente verfügen (68%). Zugleich beobachten weniger Mitarbeiter Fehlverhalten oder Verstöße und die Anzahl der Hinweisgeber liegt in den Unternehmen mit Ethikprogrammen deutlich höher (IBE Survey Ethics at Work 2015, Main findings and themes, 24).
Über die Studie zur Unternehmensethik
Für die Studie Ethics at Work 2015 befragte das Institute of Business Ethics (IBE) 3.700 repräsentativ ausgewählten Arbeitnehmer über 16 Jahre in Deutschland, Frankreich, Italien Spanien und Großbritannien. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse der Online-Befragung (Großbritannien: persönliche Interviews) aus dem März 2015 zeigen die Einstellung und Kenntnisse der Arbeitnehmer zu drei thematischen Komplexen:
- Ethik am Arbeitsplatz (Bandbreite der akzeptierten Verhaltensweisen sowie Management-Einstellungen),
- Erfahrungen mit der Ethik am Arbeitsplatz (ob sie das Gefühl haben, für eine ehrliche Organisation zu arbeiten; ob und welches Fehlverhalten sie beobachteten; ob sie bereit waren, beobachtetes Fehlverhalten anzuzeigen; ob und welchen Druck sie verspürten, sich über ethische Standards hinwegzusetzen) und
- Unterstützung der Ethik am Arbeitsplatz (welche der vier Komponenten eines Ethik-Programms ihr Unternehmen bietet: Verhaltenskodex, Schulungen, Beratung zu ethischen Fragen, anonymes Hinweisgebersystem).
Der Gesamtbericht, der Bericht für Kontinentaleuropa und die einzelnen Länderberichte stehen auf der IBE Website kostenlos zum Download bereit.
Der Beitrag erschien zunächst im pr-journal.