Wie wird ein Unternehmen zukunftsfähig?Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren ihre wesentlichen Nachhaltigkeits-Herausforderungen identifiziert, ökologische und gesellschaftliche Ziele formuliert, CSR-Strategien entwickelt und ihre Programme und Aktivitäten gegenüber ihren Stakeholder beispielsweise mit CSR-Reports transparent gemacht.

Auch wenn diese Entwicklung zum aktuellen unternehmerischen Mainstream gehört, verweist sie auf zwei immer noch spannende und offene Fragen: wie wird ein Unternehmen zukunftsfähig und reichen die skizzierten Schritte aus, um wirklich nachhaltig zu wirtschaften?

Nachhaltig ist nicht nachhaltig genug

Egal ob Ökonomen, Politiker, Verbraucher oder Wissenschaftler – viele Menschen bezweifeln trotz aller beobachtbaren Fortschritte, dass die derzeitige Herangehensweise der meisten Unternehmen schon nachhaltig ist. Die Unternehmen fragen sich ihrerseits, wann ihre ökologische und gesellschaftliche Leistungsbilanz für sie selbst und für Wirtschaft und Gesellschaft als nachhaltig gelten kann.

In Abwandlung eines alten Werbeslogans steckt dahinter die hier unausgesprochene Annahme „Nachhaltig ist nicht nachhaltig genug“. Der Gedanke erscheint auch nicht völlig aus der Luft gegriffen. Denn bislang wird die Nachhaltigkeitsperformance von Organisationen nicht in absoluten sondern nur in relativen Größen gemessen. Die Biokapazität der Erde ist aber – wenn man den Naturwissenschaften vertraut – eine absolute Größe.

Relative Ziele sind relativ bequem erreichbar

Unternehmerische Nachhaltigkeit wird in der Regel aus drei Perspektiven bewertet:

  1. Im Vergleich zu einem mehr oder weniger begründeten Basisjahr. Das kann zu beeindruckenden Werten führen („Energieverbrauch um 30% im Vergleich zu 1990 gesenkt“), ist aber nicht viel Wert, wenn das betreffende Produkt oder Unternehmen im Bezugsjahr selbst im Vergleich zum Industriestandard eine Energieschleuder war.
  2. In Bezug auf kurz- oder mittelfristige Einsparziele. Eine möglicherweise geplante „Reduktion von Treibhausgasemissionen um 20% in den nächsten 5 Jahren“ ist ein lobenswertes Vorhaben, wenn es wirklich ambitioniert und strategisch bedeutsam ist. Oder benennt es nur den per Dreisatz hochgerechneten Effizienzgewinn, der sich aus ohnehin erfordlichen Investitionen in neuere (und immer sparsamere) Technolgien ergibt?
  3. Im Vergleich zu einer Gruppe vergleichbarer Unternehmen. Das ist der heute übliche Ansatz vieler Nachhaltigkeitsratings und ihrer „Best-in-Class Konzeption. Auch wenn damit eine förderlicher Wettbewerb von Unternehmen einer Branche abgebildet und ggf. auch angeregt wird, sagen die Ratings noch nichts über den strategischen Wert der CSR-Programme für die langfristige Unternehmensperformance aus.

CSR-Stratgien, die mit relativen Zielgrößen arbeiten, haben für Unternehmen und nachhaltige Entwicklung also den Nachteil, dass sie möglicherweise die Suche nach einem für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen, Gesellschaft und Umwelt attraktiven und vorteilhaften Business Case for Sustainability blockieren.

Future-Fit BusinessBenchmark setzt absolute Ziele

future-fit business benchmark

Die Future-Fit Business Benchmark setzt absolute Ziele, die sich an einem wissenschaftlich begründeten Zukunftszustand anstatt an relativen Zielen orientieren. Abb. aus Future-Fit Business Benchmark, Public Draft 1.0, 11

An diesem Punkt setzen die 3D Investment Foundation und The Natural Step (Kanada) mit ihrer Open Source Initiative Future Fit Business-Benchmark an. Die Future-Fit Business Benchmark setzt absolute Ziele an die Stelle der bisher relativen Ziel.

Die im aktuellen Draft vorgeschlagenen 28 Ziele erstrecken sich über neun von Unternehmensaktivitäten berührte Gebiete, von den Physischen Ressourcen über Produkte & Sevices, Abfälle, Landnutzung, Stakeholdegruppen (Mitarbeiter, Gemeinschafen, Kunden, Aufsichtsgremien & Eigentümer) bishin zur Lieferkette.

Blick in die Zukunft statt in den Rück- oder Seitenspiegel

Statt in den Rück- oder Seitenspiegel zu schauen, ermöglicht das Konzept Unternehmen, sich an einem für eine nachhaltige Zukunft erforderlichen, wissenschaftlich umfassen hergeleiteten Zielzustand zu orientieren. Die Benchmark will Unternehmen dadurch helfen, die Lücke zwischen ihrer heutigen und der für eine nachhaltige Zukunft erforderlichen Performance zu messen und zu managen. Der Anspruch der Initiatoren erinnert dabei an den hinter dem ebenfalls erst kürzlich vorgestellten Global Opportunity Report 2015 stehenden Blick auf die Rolle von Unternehmen: „Once seen as a source of problems, business is now viewed as a critically important source of today’s innovation and tomorrow’s solutions. To succeed in what we call the Breakthrough Challenge, business leaders need a much deeper understanding of what it will mean to be future-fit.“

 

 

Future-Fit macht den Handlungsbedarf deutlich

future-fit business benchmark

Lücke zwischen der gegenwärtigen und der zukünftig erforderlichen Performance. Abb. aus Future-Fit Business Benchmark, Public Draft 1.0, 9

Bei aller Zuversicht über die potenziellen Lösungsbeiträge von Unternehmen zu den globalen Nachhaltigkeitsherausforderungen ist das Konzept deutlich von einem blinden Zweckoptimismus entfernt. Denn Future-Fit macht den Handlungsbedarf unmissverständlich klar und zeigt die Lücke zwischen der gegenwärtigen und der zukünftig erforderlichen Performance. Während beispielsweise auf dem Gebiet der Physische Ressourcen (Ziel 1 „Alle Energie kommt aus umweltfreundlichen, klimaneutralen Quellen“) zahlreiche Großunternehmen wie Apple, BMW, Unilever, Wal-Mart, Telekom (Deutschland), Bahn (Fernverkehr) oder McDonald´s Deutschland mit 100% erneuerbare Energie ein absolutes Ziel verfolgen oder bereits realisieren, gibt es zwischen den Zielvorschlägen und der unternehmerischen Praxis auf anderen Gebieten noch große Abstände. Zwei Beispiele:

  • Gebiet Mitarbeiter – Ziel 1 „Allen Mitarbeitern wird ein existenzsichernder Lohn gezahlt“. Hier scheint Novartis bislang das einzige Multinationale Unternehmen zu sein, das ein solches Ziel formuliert hat. Dass selbst die Entlohnung oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns Unternehmen nicht von der Forderung nach existenzsichernden Löhnen befreit, erfährt gerade der Einzelhändler Walmart in den USA.
  • Gebiet Gemeinwesen – Ziel „Alle gesetzlichen Steuern in dem Zuständigkeitsbereich entrichten, in dem die Einnahmen erzielt werden“. Unternehmen sollen keine Schlupflöcher nutzen (beispielsweise über Verrechnungspreissysteme, Gewinnverlagerungen in Niedrigsteueroasen, Gründung von Briefkastenfirmen), um zu vermeiden, ihren fairen Anteil für Dienstleistungen, auf denen ihr Geschäft basiert, zu bezahlen.

Future-Fit Business Benchmark – weitere Agenda

Bis zum Sommer 2015 sollen die Future-Fit Ziele weiter präzisiert und die Arbeit an einem vollständigen Satz von KPIs abgeschlossen sein. Zu diesem Zweck wird alle 2-3 Monate ein neuer Entwurf von Zielen und KPIs veröffentlicht. Unternehmen und Experten sind aufgefordert, an dieser Entwicklung mitzuarbeiten (info@futurefitbusiness.org) und Feedback zu dem Draft 1.0 und den Folgedokumenten zu geben.

Anschließend plant die Initiative, das Konzept für Universitäten, Haushalte, Städte, Regierungen und andere Organisatione anzupassen.

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