Fünf Szenarien zur Unternehmens- und Nachhaltigkeitsberichterstattung

Fünf Szenarien zur Unternehmens- und NachhaltigkeitsberichterstattungWie wird die Berichterstattung über finanzielle und nicht-finanzielle Unternehmensleistungen in den nächsten Jahren aussehen? Die Antwort auf die Frage hängt stark von der weiteren Entwicklung der Leitlinien und Standards zur Unternehmens- und Nachhaltigkeitsberichterstattung ab. Denn sie geben Unternehmen einen Rahmen für die konzeptionelle Ausrichtung ihrer Berichte.

Im August und September 2014 habe ich mit zwölf Praktikern, Wissenschaftlern und Studenten fünf Szenarien zur Unternehmens- und Nachhaltigkeitsberichterstattung erarbeitet. Die Corporate Reporting Szenarien stellen mögliche Weiterentwicklung der Berichtslandschaft bis 2022 dar. Dabei wird deutlich: Business as usual ist aufgrund der Nachteile fragmentierter Finanz- und Nachhaltigkeitsberichte nur eine von mehreren Zukunftsoptionen. Alle weiteren Szenarien erfordern von den Berichtsverantwortlichen signifikante Entwicklungsschritte.

Impulse aus der Finanzmarktperspektive prägen das Corporate Reporting

Nach einer rund zehnjährigen Phase, in der die GRI Leitlinien zum de-facto-Standard der Nachhaltigkeitsberichterstattung geworden sind, kommt seit 2011 Bewegung in die Diskussion zur Ausrichtung und Ausgestaltung der finanziellen und nicht-finanziellen Berichterstattung.

Mit dem IIRC Rahmenkonzept für Integrierte Berichterstattung (Dezember 2013) und den ersten SASB Standards für Nachhaltigkeits-Accounting (veröffentlicht seit Juli 2013) stehen Unternehmen wieder alternativen Optionen zur Strukturierung ihrer Unternehmens- und Nachhaltigkeitsberichterstattung zur Verfügung. Diese Impulse aus der Finanzmarktperspektive (Link zum SASB Clip mit Bloomberg) prägen das Corporate Reporting bereits schon heute – und gewinnen in Zukunft vermutlich noch weiter an Gewicht.

Die fünf Corporate Reporting Szenarien im Überblick

Die Szenarien beschreiben einen Möglichkeitsraum für die Berichtslandschaft 2022 zwischen Verbindlichkeit der Regeln und Integration von Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten. Sie orientieren sich an der Szenario-Management™ Methode des ScMI.

1 Accounting for Investors

In diesem Szenario wird die Berichterstattung durch Rechnungslegungsvorschriften oder Gesetze noch weiter reguliert.

2 Financial Accounting is king

Hier setzt sich eine im Wesentlichen auf Finanzkennzahlen beschränkte Unternehmensberichterstattung durch.

3 Business as usual

Trotz der damit verbundenen Nachteile für alle Stakeholder wird hier die fragmentierte Architektur separater Finanz- und Nachhaltigkeitsberichte fortgesetzt.

4 Individual Integration

Immer mehr Unternehmen nutzen die Berichterstattung zur (Weiter)entwicklung einer integrierten und nachhaltigen Unternehmensstrategie.

5 Joined Forces for Sustainability Reporting

In diesem Szenario werden die konzeptionellen und regulatorischen Impulse der letzten Jahre zu einer neuen und kraftvollen Weiterentwicklung der Integierten Berichterstattung genutzt.

Weitere Informationen zu den Szenarien finden Sie in der Slideshare-Präsenation.

Hintergrund

Die Rolle der Finanzmärkte als Impulsgeber für das Corporate Reporting

Das Vertrauen, den Wert und die künftige Entwicklung von Orgasisationen auf Basis ökonomischer Kennziffern in Lageberichten und Ausblicken zutreffend beurteilen zu können, ging bereits in den 1980er Jahren mit jeder weiteren Enthüllung von Umweltkatastrophen, Menschenrechtsverstößen, unangemessenen Arbeitsverhältnissen oder Korruption und Bestechung verloren. Es wurde deutlich, dass finanzielle Leistungsindikatoren allein nicht die Stärken und Schwächen von Unternehmen angemessen erfassen.

Die zunehmende Bedeutung von Umwelt- und Sozialaspekten für die Unternehmensentwicklung führte dann erstmals zu neuen, mit den klassischen Finanzberichten unverbundenen Berichtsformen. „Eine separate, SD-orientierte [sustainable development] Berichterstattung hatte ihre Anfänge in den 1970er Jahren mit den ´Sozialberichten´ in Deutschland. Ab 1987 folgten in den USA Berichte mit steigenden Datenmengen zu Emissionsmengen toxischer Stoffe aufgrund der dortigen ´right to know´-Gesetzgebung des ´Superfund Amendments and Reauthorization Act´“ (Hesse 2004, 8).

In der Zeit zwischen Mitte der 1980er Jahre und der Jahrtausendwende entstand eine Vielfalt von Sicherheits-, Qualitäts-, Sozial-, Korruptions- Umwelt- oder Nachhaltigkeitsberichte als zweite Säule der Unternehmensberichterstattung. Die berichtenden Unternehmen wollten mit diesen Instrumenten gegenüber zahlreichen Stakeholdergruppen Rechenschaft ablegen und transparenter werden, um damit Glaubwürdigkeit und Vertrauen (zurück)zugewinnen.

Allerdings belegen diverse Studien, dass insbesondere Finanzmarktteilnehmer der Berichterstattung über diese immateriellen Vermögenswerte im Vergleich zu anderen Stakeholdern wenig Beachtung schenkten. Neben der für jedes System typischen Zähigkeit, Veränderungen und Entwicklungen zu verarbeiten, ist diese geringe Aufmerksamkeit gegenüber der zweiten Säule der Unternehmensberichterstattung besonders auf das Fehlen verbindlicher Berichts-Standards zurückzuführen. Die Nicht-finanzielle Berichterstattung konnte die Kapitalseite in ihrer bisherigen Form nicht überzeugen.

Die Schulden-, Finanz- und Konjunkturkrise infolge der Sub-prime-Krise von 2007 scheint aber bei bedeutenden Finanzmarktteilnehmern als Katalysator für die Weiterentwicklung der Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgewirkt zu haben. Zweifel an der Aussagekraft der traditionellen Finanzberichterstattung und der Relevanz bisheriger Rahmenkonzepte für die nicht-finanzielle Berichterstattung treiben die Entwicklung des IIRC Rahmenkonzepts für Integrierte Berichterstattung der SASB Standards für Nachhaltigkeits-Accounting voran.

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Literatur

Fink, Alexander; Siebe, Andreas (2006): Handbuch Zukunftsmanagement. Werkzeuge der strategischen Planung und Früherkennung. Frankfurt am Main: Campus.

Hesse, A. (2004). Das Klima wandelt sich: Integration von Klimachancen und -risiken in die Finanzberichterstattung. Bonn.

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